Ein fast vergessener Klassiker – Hyphessobrycon heterorhabdus (ULREY, 1894)

Ein fast vergessener Klassiker – Hyphessobrycon heterorhabdus (ULREY, 1894)

Haltungsanforderungen Wasserparameter Salmler Nachzucht Südamerika

Ein Wunschfisch

Hyphessobrycon heterorhabdus gehörte seit meiner Kindheit auf die Wunschliste von Fischen. Seit ich eine Abbildung der Art im Alter von 14 Jahren auf dem Einband eines kleinen Büchleins über Salmler (Jocher 1968) gesehen hatte, wusste ich, dass ich diesen Fisch irgendwann einmal haben (und natürlich auch nachzüchten) wollte. Ich gebe ja zu, es war zunächst die Färbung der Tiere, die mich fasziniert hat. Nun bin ich ein recht geduldiger Mensch: keiner, der „dringend“ irgendeine Art sucht und dafür hunderte von Kilometern zurücklegt. Oft löst sich das Problem überraschend ganz von allein, auch wenn es, wie bei H. heterorhabdus, mehr als zwanzig Jahre dauert.

Importgeschichte

Die Salmlerart wurde schon vor mehr als 120 Jahren beschrieben (Ulrey 1894). Aber erst gut vier Jahrzehnte später (Arnold 1939) wurde die Art in der Natur lebend gesammelt und für die Aquaristik verfügbar gemacht, obwohl H. heterorhabdus nach Aussagen von Eggeling schon um 1905 in Hamburg eingeführt worden sein soll (Eggeling 1956).

„Geradezu entzückt war ich von dem Anblick eines kleinen Tetragonopterus, von dem mir gelegentlich eines Besuches in Lankwitz zum Zwecke des Photographierens von Neuheiten Herr Matte unverhofft ein Pärchen in einem kleinen Akkumulatorenglase vor das Gesicht hielt.
Tetragonopterus ulreyi Boulenger ich möchte für ihn die deutsche Bezeichnung Flaggensalmler vorschlagen ist im vergangenen Jahre zuerst vom Verein „Roßmäßler” in Hamburg importiert worden

Köhler (1907)

Als Flaggensalmler wird in der Aquaristik zwar meistens eine andere Art bezeichnet, aber die bei Köhler (1907) auf Seite 83 in einem Schwarzweiss-Foto abgebildete Art passt ganz gut zu Hyphessobrycon heterorhabdus. Die später verwendeten Bezeichnungen falscher und echter Ulrey (siehe weiter unten) deuten darauf hin, dass unter dem Namen zwei oder mehr Arten in der Aquaristik gehalten wurden (vgl. auch Franke 1971).

In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts war die Art dann dauernd im Standardangebot des Aquaristikfachhandels zu finden, obwohl ihre Nachzucht als schwierig galt (Nachstedt und Tusche 1950, Vogt 1959, Jocher 1968). Eine ganze Reihe von Haltungs- und Zuchtberichten in den einschlägigen Aquarienfachzeitschriften zeugen davon.

Eine Gruppe von Hyphessobrycon heterorhabdus
Eine erwachsene Gruppe von Hyphessobrycon heterorhabdus im Artbecken. (Bildquelle: Stefan K. Hetz, native-fish.org)

Wie auch immer, in den späten 70er Jahren des vorherigen Jahrhunderts waren keine Tiere mehr im Handel zu bekommen, zumindest (oder schon gar) nicht in Ober- und Mittelfranken, wo ich damals wohnte. Auch die deutschen Bezeichnungen für den Fisch waren nicht immer einheitlich, was die Suche nach der Art nicht gerade erleichterte. Von „Flaggensalmler“ über „falscher“ und „echter Ulrey“ (nach dem Erstbeschreiber) bis hin zum mittlerweile gebräuchlichsten Namen „Dreibandsalmler“ war alles an Namen vertreten.

Endlich wieder da

Die Firma aqua-global in Seefeld importierte im Jahre 2003 Wildfänge von H. heterorhabdus, fälschlicherweise beim Exporteur als H. amapaensis (eine mindestens ebenso attraktive Art) angepriesen. Diese Art (H. amapaensis) wurde von Zarske und Géry (1998) auch als Stellvertreterart von Hyphessobrycon heterorhabdus angesehen.

Ich und auch weitere Aquarianer (Rene und Matthias) in Berlin übernahmen dennoch kleinere Gruppen der hübschen Hyphessobrycon heterorhabdus. Ich hielt die Tiere in einem Gemisch von einem Drittel Leitungswasser und zwei Dritteln Umkehrosmosewasser. Die Temperatur bewegte sich in meinen ungeheizten Aquarien zwischen 22°C im Winter und gut 28°C im Sommer. Alte Berichte (Wilhelm 1960) weisen darauf hin, dass die Tiere auch bei 20°C noch aktiv sind. Die Nachzucht gelang damals jedoch keinem von uns und so waren die Tiere nach ein paar Jahren wieder verschwunden. So kann es gehen.

Irgendwie bekam ich aber dann doch noch meine lang ersehnten Nachzuchttiere vor gut zehn Jahren von Kurt, als der zusammen mit ein paar weiteren Aquarianern aus der westlichen Hälfte Deutschlands die Firma aqua-global in Seefeld besuchte. Ursprünglich wollte mir Kurt nur H. amapaensis mitbringen, eine Art, auf die ich seit deren Erstbeschreibung (Zarske und Géry 1998) scharf war, aber auch darauf lange warten musste.

Ein Weibchen von Hyphessobrycon heterorhabdus
Ein Weibchen von Hyphessobrycon heterorhabdus. Weibchen sind fülliger als die Männchen und oft, bei gleichem Alter, auch etwas größer. Zum Laichansatz können die Tiere für zwei bis vier Tage getrennt und dann im Zuchtbecken zusammengesetzt werden. Wenn die Tiere länger getrennt werden, kann es zu Problemen bei der Eiablage kommen, oft entwickeln sich dann auch viele der Eier nicht. (Bildquelle: Stefan K. Hetz, native-fish.org)

Von beiden Arten bekam ich von Kurt tadellose jüngere Tiere in guter Kondition, die ich ein paar Monate später (im Winter) die Tiere waren gut ein Jahr alt zur Zucht ansetzte. Ohne Probleme gelang die Zucht fast auf Anhieb in einem kleinen, nur 30 mal 20 Zentimeter Bodenfläche aufweisendem Zuchtbecken mit Laichrost. Der Laichrost (zum Verhindern, dass die Eier gefressen werden) bestand aus einer gelöcherten und genau eingepassten PVC-Platte, die ca. 20 mm über dem Glasboden stand. Zum Verstecken und als Laichsubstrat gebe ich den Tieren ein wenig Javamoos und/oder Kokosfaser.

Jungfische von Hyphessobrycon heterorhabdus
Eine Gruppe Jungfische von Hyphessobrycon heterorhabdus. Ich zog nicht immer alle Tiere auf. 30 bis 40 Tiere reichen, um die eigene Gruppe zu erhalten und auch ab und zu Tiere abgeben zu können. (Bildquelle: Stefan K. Hetz, native-fish.org)

Seitdem schwammen die Tiere in meinen Aquarien. Ab und zu interessierte sich jemand für die Tiere, dann gab ich eine kleine Gruppe ab und zog kurz darauf wieder Tiere nach.

Haltung

Die Fische wurden bei mir bis ca. fünf Zentimeter groß und waren recht gut in einer kleineren Gruppe von 8 bis 15 Tieren zu pflegen. Außer ein paar kleineren Geplänkeln der Männchen untereinander waren sie recht friedlich und ich vergesellschaftete sie recht gerne mit einigen scheueren Zwergbuntbarschen, die sich von den Salmlern gerne aus der Reserve locken ließen.

Größere Jungfische von Hyphessobrycon heterorhabdus
Die Jungfische von Hyphessobrycon heterorhabdus sind nach drei bis vier Monaten bei guter Fütterung und häufigem Wasserwechsel größer und farbiger geworden. (Bildquelle: Stefan K. Hetz, native-fish.org)

Man konnte sie mit den gebräuchlichen Futtersorten von qualitativ hochwertigen Flocken, Granulat, Tabletten und Frostfutter ernähren. Häufige und reichliche Wasserwechsel sind in den recht dicht besetzten aufzuchtbecken natürlich obligatorisch! Zum Laichansatz bekamen sie aber Lebendfutter, weshalb ich sie auch meistens im Herbst oder Winter, wenn genug Futter zur Verfügung stand, zur Zucht ansetzte.

und Zucht

Zur Zucht setzte ich die Fische in reinem Umkehrosmosewasser oder in einem Gemisch von drei Teilen Umkehrosmosewasser und einem Teil Berliner Leitungswasser in einer kleinen Gruppe von 2,3 bis 5,5 in einem wie schon oben erwähnten 30er Zuchtbecken an. Der Ansatz von Salmlern in Paaren klappte bei mir nicht immer, aber das ist eine andere Geschichte. Manchmal gebe ich auch noch einen Erlenzapfen und einen Milliliter einer stark verdünnten Jod/Jodkali-Lösung zu (aber das ist noch eine andere Geschichte). Schon am nächsten Tag hatte mindestens ein Weibchen Eier abgelegt. Wenn es mal nicht gleich klappte; nach einem weiteren Tag waren sicher Eier da.

Ein Männchen von Hyphessobrycon heterorhabdus
Ein Männchen von Hyphessobrycon heterorhabdus. Männchen sind kleiner, schlanker und zeigen kleine Haken an der Afterflosse, in der sie oft beim Herausfangen kurz haftenbleiben. (Bildquelle: Stefan K. Hetz, native-fish.org)

Die Jungfische schlüpften schon recht bald (nach ungefähr 24 Stunden). Ich füttere sie mit Paramecien und Micro an und schon nach spätestens weiteren fünf Tagen nehmen die Jungfische frisch geschlüpfte Artemia. Auch ältere Fische brachten nach mehreren Jahren noch gute Nachzuchtergebnisse und von Laichverhärtung und besonderer Empfindlichkeit der Jungfische kann ich hier nicht berichten.

Gesuchte Fische?

Dass sich H. heterorhabdus doch nach wie vor recht großer Beliebtheit im Hobby erfreut, habe ich vor mehreren Jahren, im Januar 2009, auf einer der Berliner Heim, Tier und Pflanze Messen im Rahmen der Internationalen Grünen Woche erleben können. Die Deutsche Cichliden Gesellschaft (DCG), eine Fachgruppe für Buntbarsche (Cichliden), in der ich seit den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts Mitglied bin, hatte eine Ausstellung verschiedener Buntbarsche organisiert.

Ausstellung von Buntbarschen der DCG
Eine Ausstellung von Buntbarschen der DCG. Ich hatte einige Apistogramma-Arten mit jeweils einer kleinen Gruppe von Hyphessobrycon heterorhabdus vergesellschaftet. Die Salmler waren für viele Aquarianer interessanter als die Buntbarsche. (Bildquelle: Stefan K. Hetz, native-fish.org)

Ich hatte ca. 60 Salmler in drei Aquarien zusammen mit diversen Apistogramma-Arten ausgestellt und hatte fast den Eindruck, die Salmler waren für viele Besucher deutlich interessanter als die Zwergbuntbarsche. Auf jeden Fall wurden die Fische nach der Messe alle an interessierte Aquarianer abgegeben.

Ungefähr 50 erwachsene Tiere hatte ich 2009 in meinen Aquarien zurückbehalten, um sie weiter nachzuziehen. Einige Tiere hatte ich später aus dieser Gruppe doch noch abgegeben. Nach und nach wurden die Tiere in meine Aquarien weniger. Das Nachzüchten verschob ich immer wieder, irgendwann klappte es auch nicht mehr mit den fünf bis sieben Jahre alten Tieren. Leider ist die Art mittlerweile bei mir nicht mehr vorhanden ich hätte sie doch mal wieder nachziehen sollen

Literatur

Arnold, J. P. (1939). Ergebnisse einer Sammelexpedition nach dem mittleren Amazonenstrom. Wochenschrift für Aquarien- und Terrarienkunde 39: 49-51.

Eggeling, H.-H. (1956). Hyphessobrycon heterorhabdus (Ulrey) der Dreibandsalmler. Die Aquarien und Terrarien-Zeitschrift (DATZ) 9 (1): 1-2.

Franke, H.-J. (1971). Salmler- Neuheiten 1964-1968. 7. Aquarien Terrarien (AT) 18 (1): 8 – 9.

Jocher, W. (1968). Problemfische II. Stuttgart: Kosmos-Verlag, Franckh´sche Verlagshandlung; 65 Seiten.

Köhler, W. (1907). Weitere Neuheiten des vergangenen Importjahres. 3. Die Familie der Characinidae (Salmler) Fortsetzung. Blätter für Aquarien- und Terrarienkunde 18 (9): 81 – 84.

Nachstedt, J. und Tusche, H. (1950). Züchterkniffe I. Stuttgart: Alfred Kernen Verlag; 47 Seiten.

Ulrey, A. B. (1894). Preliminary descriptions of some new South American Characinidae. American Naturalist 28 (331): 610-611.

Vogt, D. (1959). Salmler II. Stuttgart: Alfred Kernen Verlag; 48 Seiten.

Wilhelm, H. (1960). Pflege und Zucht des Dreibandsalmlers Hyphessobrycon heterorhabdus Ulrey. Die Aquarien- und Terrarien-Zeitschrift (DATZ) 13 (6): 162 – 163.

Zarske, A. und Géry, J. (1998). Hyphessobrycon amapaensis spec. nov., eine neue und mutmassliche Stellvertreterart von Hyphessobrycon heterorhabdus (Ulrey, 1894) aus dem Bundesstaat Amapa in Brasilien (Teleostei: Characiformes: Characidae). Zoologische Abhandlungen (Dresden) 50 (1): 19 – 26.

von Stefan Karl Hetz

Vorheriger Beitrag Nächster Beitrag