Wir kamen nach einem sehr aufregenden Flug am Nachmittag in Bella Vista an. Schon beim Überfliegen einiger Flüsse fiel uns der niedrige Wasserstand der Flüsse während der Trockenzeit auf.
In Bella Vista kamen wir bei Claude Brosse im „El Tucanaré“ unter. Das El Tucanaré wählten wir, weil es zum einen eine sehr gut ausgestattet Lodge direkt am San Martin ist, sich Claude aber auch selbst für Fische und das Angeln interessiert und zudem ein geräumiges Boot besitzt, welches mit seinem flachen Rumpf sehr gut dazu geeignet ist, den zur Trockenzeit sehr flachen Rio San Martin zu befahren. So verwunderte es auch nicht, dass Claude fast bei allen unseren Exkursionen selbst mit von der Partie war.
Am Wochenende unserer Ankunft fand in Bella Vista ein großes Fest am Ufer des Rio San Martin statt, welches wir natürlich gleich nach unserer Ankunft besuchten. Glücklicherweise hatten wir unsere Unterkünfte im El Tucanaré schon lange vorher gebucht, da am Ort an diesem Wochenende alles ausgebucht und ausverkauft war.
Auch Beachvolleyball konnte so am flachen sandigen Ufer gespielt werden. Der Fluss ist zur Trockenzeit sogar so flach, dass man ihn mit einem Motorrad bequem durchfahren kann – wenn man denn den Fluss genau kennt. Dass das nicht immer klappt, musste eine größere Gruppe von Motorradfahrern erkennen, die im Rahmen einer größeren Tour den San Martin durchquert hatten. Unter großem Hallo geriet ein Teilnehmer in eine tiefere Stelle und soff mitsamt seiner Maschine ab.
Dass der Pegel des Flusses zur Trockenzeit gut acht Meter niedriger als zur Regenzeit lag, verdeutlichten die bei Bella Vista auf dem Trockenen liegenden größeren Boote und die Markierungen an den Bäumen entlang des Rio San Martin. So verwunderte es auch nicht, dass die in anderen Bereichen Südamerikas häufigen epiphytisch wachsenden Pflanzen nicht in der Ufervegetation der Flüsse zu finden waren.
Die niedrigen Bäume im Bereich des flachen, in der Regenzeit wohl völlig überschwemmten Ufers waren dicht mit den auffälligen Skeletten von Süßwasserschwämmen besetzt. Typische Epiphyten wie Bromelien und Orchideen fehlten jedoch völlig – sie würden das lange Untertauchen während der Regenzeit vermutlich auch nicht überstehen. Diese imposanten Schwammskelette bestehen aus Silikatnadeln, ähneln also Glasnadeln. Entsprechend unangenehm ist der nähere Kontakt mit ihnen, was ich leider erst schmerzhaft erfahren musste.
Der Rio San Martin entspringt im Süden von Bolivien und fließt zunächst eine ganze Weile nach Norden. Dann biegt er leicht nach Westen ab und erreicht Bella Vista, wo er sich mit dem ebenfalls aus Süden kommenden Rio Blanco vereinigt und weiter nach Norden in den Rio Iténez bzw. Rio Guaporé mündet.
Wie in fast allen Flüsse in diesem Teil Boliviens ist das Wasser im San Martin sehr weich. Alle Tiere, die rund um den San Martin leben, Fische eingeschlossen, müssen durch diese Ionenarmut Mechanismen besitzen, ihren Ionenhaushalt sehr gut zu regulieren. Wie schon an den anderen Orten unserer Reise waren auch hier die Tiere darauf angewiesen, jegliche Ionenquellen und sei es auch in den Exkrementen von Vögeln, zu nutzen.
Der Flussuntergrund des Rio San Martin besteht aus feinem bis gröberem Quarzsand, im Rio Blanco kommen feinerer Sand und feiner Schlamm hinzu. Auch große Steine oder sogar sehr große, vom Wasser abgerundete mannsgroße Felsbrocken ragen aus dem Wasser. Die Ufer sind meistens sehr flach und nicht besonders hoch und so bedeckt der San Martin zur Regenzeit eine weitaus größere Fläche. Die Ufervegetation besteht aus Büschen und kleineren, nicht allzu hohen Bäumen.
Parallel zum Rio Blanco im Westen fließt der San Miguel, der ebenfalls in den Rio Iténez mündet. Der San Martin ist, zumindest in der Trockenzeit, ein leicht getrübter Klarwasserfluss, der jedoch zur Regenzeit in einigen Bereichen durch Schwarzwasserzuflüsse auch ein leicht bräunliches Klarwasser aufweist. Der Rio Blanco hingegen ist, wie der Name schon sagt, ein typischer Weißwasserfluss, was sich auch an der stärkeren Ufervegetation, aber auch an den schwimmenden Wiesen, Ansammlungen von Vegetation aus Sumpf- und Schwimmpflanzen, zeigt.
Wenn man auf dem Rio San Martin eine Bootstour unternimmt, sollte man auf jeden Fall einen ortskundigen Führer mitnehmen. Weniger, um nicht auf dem Fluss verloren zu gehen, was eigentlich nicht passieren kann, da sich der Fluss zumindest in der Trockenzeit nicht in mehrere Flussarme aufteilt, sondern, um die vielen kleinen und größeren Lagunen zu finden, die sich vielleicht schon – vom Fluss aus nicht sichtbar – 10 oder 20 Meter hinter dem Ufer befinden oder auch erst nach einstündigem Marsch durch den Wald zu finden sind. Zwar kann man heute mit Hilfe von Google Maps oder Google Earth die Ziele im Voraus planen, weiß aber nicht, ob die Satellitenaufnahmen, denen die Karten zugrunde liegen, aktuell oder veraltet sind. Zudem ändern Tieflandflüsse in den Tropen bisweilen ihren Lauf sehr stark und schaffen so neue Lagunen oder schütten alte mit der Zeit zu.
Unser erster Ausflug am Morgen nach der Ankunft ging an eine Lagune, die nach kurzer Bootsfahrt und kurzem Marsch durch den Wald am gegenüberliegenden südlichen Ufer des Rio San Martin zu erreichen war. Die Lagune hatte einen Durchmesser von ungefähr 400 Metern, eine Tiefe von vielleicht 60 cm im Randbereich und war fast vollständig von Eichhornia crassipes bedeckt. Durch diese Beschattung und vielleicht auch durch die Verdunstung von Wasser über die Blattflächen der Eichhornia kam mir das Wasser angenehm kühl vor. Das Wasser der Lagune war leicht bräunlich gefärbt, was wohl in den – besonders im Uferbereich – sehr dichten Lagen von Falllaub begründet war.
Ein erster Zug mit meinem Handkescher im Falllaub in einem nur 10 bis 30 cm breiten Streifen im Uferbereich der Lagune, brachte eine unvorstellbar hohe Dichte von Fischen, vor allem Zwergcichliden. Das ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass ein großer Anteil der Fischpopulation in der Trockenzeit mit einem Minimum an Wasser zurechtkommen muss und so „konzentriert“ auftritt. Wenn man die Hochwassermarken an den Bäumen als Anhaltspunkt für die Abschätzung des Wasservolumens in der Regenzeit hernimmt, so sind unter Berücksichtigung des Wasserstands und der vielfach geringeren Flächenausdehnung der Lagunen Reduktionen auf weniger als ein Promille des ursprünglichen Wasservolumens durchaus realistisch. Von dieser Fischdichte in der Trockenzeit profitieren Raubfische, Vögel und Säuger gleichermaßen, aber auch wir beim Fang.
Unter den gefangenen Fischen befanden sich drei Apistogramma- Arten, die insgesamt sehr häufig, von Lagune zu Lagune aber in unterschiedlichen Populationsdichten, vorkamen. Wenige Exemplare von Apistogramma inconspicua oder eine zumindest nahe verwandte Art, waren mit ihrem großen Schwanzwurzelfleck relativ leicht zu erkennen. Die Population von Apistogramma trifasciata zeigte in den meisten Exemplaren eine ungewöhnlich stark ausgeprägte Gelbfärbung im Kopf- und Brustbereich.
Neben solcherart gefärbten Tieren kamen aber auch Fische mit vorherrschender Blaufärbung vor. Apistogramma sp. „Rio Guaporé“, eine mittlerweile als Apistogramma socorcula beschriebene Art, die an diesem Fundort den Großteil der Apistogramma-Arten ausmachte und Apistogramma staecki ähnlich ist, zeigte ebenfalls eine gelbliche Kopffärbung. Diese Art stellte hier und auch in einer anderen Lagune den Hauptteil der dort vorkommenden Zwergbuntbarscharten. Neben diesen drei Apistogramma hatte ich auch eine Laetacara-Art, die Laetacara dorsigera ähnelte im Kescher. Auch eine klein bleibende Crenicichla-Art konnte ich in wenigen Exemplaren fangen.
Ein Kescherzug unter die Eichhornia ergab ein ganz anderes Spektrum von Fischen als am Ufer. Neben einigen Schwarzen Phantomsalmlern (Hyphessobrycon megalopterus) und einem einzigen Trauermantelsalmler (Gymnocorymbus ternetzi) fing ich drei Aphyocharax-Arten, den schon von Los Lagos bekannten A. rathbuni, den charakteristisch gezeichneten A. paraguayensis in sehr wenigen Exemplaren sowie eine an A. dentatus erinnernde Art. Auch fanden sich wenige Zwergpanzerwelse, Corydoras hastatus darunter. Diese, für die vor allem bodenorientierten Panzerwelse ungewöhnlicherweise im Freiwasser schwimmende Art wird oft aus Paraguay eingeführt und steht im Ruf, zusammen mit ähnlich gefärbten kleineren Salmlerarten gemischte Schwärme zu bilden. Zum Zusammenhalt innerhalb dieser Schwärme dient möglicherweise auch die bei vielen Salmlern aus Bolivien und Paraguay anzutreffende kontrastreiche Zeichnung der Schwanzflosse und des Schwanzstiels.
Eine weitere Lagune lag ungefähr eineinhalb Kilometer weiter flussaufwärts. Diese Lagune war lang gestreckt und wies eine gänzlich andere Struktur als die erste auf. Die Ufer waren von größeren Bäumen bestanden und dadurch war ein Großteil der Lagune beschattet, was sich auch dort in geringeren Wassertemperaturen bemerkbar machte. Kleine Äste und Holz, welches im Wasser lag, bot der überaus reichen Fischfauna vielfältige Verstecke. Der Bodengrund bestand aus großen Falllaubschichten. Die Oberfläche des Gewässers war bis auf wenige Wasserpflanzen so gut wie gar nicht von Vegetation bedeckt. Wie in Los Lagos, so fanden wir dort die beeindruckenden Ludwigia sedioides sowie an einigen stark besonnten Bereichen, einen Vertreter der Wasserschlauchgewächse (Utricularia). Ein Vertreter der Gattung Cabomba war die dritte dort vorkommende Wasserpflanzenart.
Das Wasser in diese Lagune war relativ klar und so stellte ich mich zunächst vorsichtig ins flache Wasser, um die dort vorkommenden Fische näher zu beobachten bevor diese durch unsere Kescherzüge vertrieben würden. Besondere Aufmerksamkeit erregte erregten kleine Fische, die in Schwärmen von 50 – 100 Individuen knapp unter der Oberfläche vorbeizogen. Ich fing ein paar Salmler heraus, wobei mir auffiel, dass einige der gefangenen Exemplare auf den Kopf eine silberfarbenen Markierung, fast so wie bei einigen Killifischen der Gattung Epiplatys, aufwiesen. Als ich sie später Jürgen Krüger zeigte, war der ganz aus dem Häuschen, hatte er doch ein paar Jahre vorher auch in Bolivien eine ähnliche (oder die gleiche?) Salmlerart gefangen. Hier hatte sich wieder mein engmaschiges Fangnetz bewährt! Beim 2. BSSW-Salmlersymposium im Jahre 2018 stellte Achim W. die Art ebenfalls vor.
Unter den gefangenen Fischen waren auch noch andere kleine Arten, so ein Salmler, der sogenannte pädomorphe Merkmale aufwies, also im adulten bzw. ausgewachsenen Zustand noch einige Merkmale von Jungfischen oder Larven zeigte. Solche Merkmale können zum Beispiel eine fehlende Beschuppung, eine fehlende Fettflosse, verkürzte oder fehlende Flossen, gepaart mit einer oft extremer Kleinwüchsigkeit sein. Eine weitere winzige Salmlerart fiel mir erst auf, als ich die Tiere daheim in eine Aquarium einsetzte. Entfernt erinnerten sie mich an den Kolibrisalmler, der vor einigen Jahren aus Peru eingeführt worden war. Aber auch eine sehr kleine Grundelart von kaum 15 mm Länge war mir in drei Exemplaren ins Netz gegangen. Leider konnte ich die Tiere im Aquarium nur wenige Monate am Leben erhalten. Die Bilder verdeutlichen aber, wie sie ausgesehen hat.
An einer anderen Stelle in der Lagune erregte ein Schwarm weiterer Salmler, der sich im Uferbereich kurz unter der Wasseroberfläche aufhielt, meine Aufmerksamkeit. Erst nachdem ich einige Tiere gekeschert hatte, erkannte ich, dass diese Salmler zu einer kleinen Beilbauchsalmlerart gehörten. Ich versuchte daraufhin eine größere Anzahl dieser Tiere zu fangen, um diese zu bestimmen. Beim Heranführen des Netzes von unterhalb der Wasseroberfläche (was bei dem flachen Wasser, in dem die Tiere lebten, gar nicht so einfach war), erwartete ich, dass die Fische, wie in der Literatur mehrfach beschrieben wurde, mit großen Sprüngen bzw. durch aktives Fliegen dem Netz entkommen würden. Dem war aber nicht so – die Tiere kannten offenbar die Literatur nicht: außer kleinen Sprüngen, wie sie auch andere Salmlerarten zeigten, war keine besondere Fluchtreaktion festzustellen. So hatte ich also relativ rasch einen eine größere Gruppe von Carnegiella marthae im Netz. Wolfgang fing ebenso einiger Tiere, da er sich nicht sicher war, ob diese Art wirklich zu Carnegiella marthae gehörte.
Neben diesen Arten fing ich in dieser Lagune noch eine an den Schrägsteher, Nannostomus eques, erinnernde Art sowie weitere Jungtiere von Hyphessobrycon megalopterus, dem Schwarzen Phantomsalmler. Auch Aphyocharax paraguayensis konnte ich wieder in einzelnen Exemplaren nachweisen.
Eine dritte Lagune wies einen sehr flachen Wasserstand über feinem Sandboden auf. Diese Lagune war voll besonnt, sehr flach und schon um die Mittagszeit entsprechend warm. In den Randbereichen fanden sich wieder sehr viel kleine Salmler und eine hell gefärbte Panzerwelsart, die in größeren Gruppen auf dem Boden dahinhuschten. Diese Art sah einem Panzerwels sehr ähnlich, den Joachim Knaack wenige Jahre zuvor aus dieser Gegend beschrieben hatte. Corydoras albolineatus wurde im Rio Paragua im Einzugsbereich des Rio Iténez, ca. 150 km weiter östlich gefangen. Es könnte sich jedoch auch um Jungfische von Corydoras noelkempffi gehandelt habe, die ebenfalls von Knaack aus dem Rio San Martin beschreiben wurden. Bei den blassen Farben der Fische in der Fotoküvette, ließ sich das aber nicht so ohne weiteres sagen.
Ein ganz besonderes Erlebnis hatte ich mit einer größeren, ungefähr zwei Quadratmeter umfassenden Wasserlache neben der Lagune, die durch das langsame Austrocknen schon von dieser abgeschnitten war. Diese nur ungefähr fünf Zentimeter tiefe “Pfütze” beherbergte jede Menge Fische. Ein einziger Kescherzug brachte geschätzt ein gutes halbes Pfund, in Zahlen etwas über 200 kleinere Fische, die meisten davon Apistogramma sp. „Rio Guaporé“, teilweise schon adult und ausgefärbt, aber auch richtig “schlank”, um nicht zu sagen, mager. Diese hatten nun das Glück, dass ich sie in der Lagune wieder aussetzte. Für den Großteil der anderen Fische dürfte diese Pfütze aber nach wenigen Tagen zum Grab geworden sein. Das bringt die drastische Änderung der Wasserstände in der Trockenzeit nun mal mit sich: Artgerecht ist nur die Freiheit!
Außer den Lagunen waren auch kleinere Zuflüsse zum Rio San Martin interessante Fangplätze. Die meisten dieser Zuflüsse waren zu dieser Zeit natürlich nur noch Rinnsale aber wir guckten trotzdem nach Fischen. Einer dieser Fangplätze befand sich weiter flussaufwärts am südlichen Flussufer. Eine größere Sandbank mit einem flachen Zufluss ließ uns hoffnungsvoll den Bach aufwärts folgen. Im Vergleich zu den Lagunen gab es sehr wenige Fische aber ich konnte im Bereich von Holzansammlungen Welse fangen, die ich in der Lagune nicht gefunden hatte.
Eine Hypoptopoma-Art, erkennbar an den sehr weit seitlich stehenden Augen, konnte ich in mehreren Exemplaren fangen. Diese Fische ließen sich leicht fangen und so wollte ich sie eigentlich mitnehmen und vermutete, dass sie sich aufgrund der Tatsache, dass das Gewässer, in dem wir sie fanden, sehr warm und vermutlich auch sauerstoffarm war, leicht transportieren lassen würden. Aber das Gegenteil war der Fall. Schon nach kurzer Zeit in einem kleinen Kunststoffgefäße zeigten die Tiere deutliche Anzeichen von Sauerstoffmangel und so ließ ich sie, nachdem ich sie fotografiert hatte, schnell wieder in dem Gewässer frei. Die vermutlich gleiche Wels-Art, allerdings in größeren Exemplaren, fanden wir später noch im Hauptfluss im Bereich von Ansammlungen von Wasserhyazinthen.
Deutlich besser haltbar waren jedoch die kleinen ancistrinen Harnischwelsen, die ich zu mehreren Exemplaren zusammen mit anderen Welsen aus einer Wurzel schütteln konnte. Da ich insgesamt fünf diese Tiere die (zumindest für mich) gleich aussahen, fangen konnte, entschloss ich mich, diese Tiere mitzunehmen. Ich wollte Florian, der sich an diesem Tag nicht so gut fühlte und nicht an der Exkursion teilnahm, damit eine Freude bereiten. Das gelang mir auch. Er nahm die Tiere mit nach Deutschland und konnte sie auch nach einigen Monaten nachzüchten. Ein Bericht über diese Tiere findet sich in der DATZ.
Von Florians Nachzuchten bekam ich später vier halbwüchsige Tiere, die sich nach dem Auswachsen als drei Männchen und ein Weibchen entpuppten. Auch ich konnte die Tiere bisher zweimal nachzüchten. Für eine erfolgreiche Zucht hatte es sich bewährt, das Aquarium vollständig umzugestalten und zudem einen vollständigen Wasserwechsel vorzunehmen. So konnte ich, nach vorheriger längerer Zeit (bis zu acht Wochen) ohne Wasserwechsel aber mit guter Fütterung, die Fische zweimal gezählt zum Ablaichen bringen.
Florian war bei seiner ersten Nachzucht unbewusst genauso vorgegangen. Die Welse waren zunächst auf einer Ausstellung untergebracht und laichten, nachdem sie von der Ausstellung in ein neu gestaltetes Aquarium zurückkamen. Die jungen Welse mit ihrem kleinen hellen Punkten sind sehr attraktiv.
Leider verlieren sie diese Zeichnung im Alter. Da sie nicht allzu groß werden (15 Zentimeter scheint die Maximalgröße zu sein) und sich zudem nicht viel bewegen sind diese Tiere für eine Haltung im Aquarium sehr gut geeignet. Anders als die Hypoptopoma-Arten, die ich im gleichen Biotop fand, erwies sich diese Ancistrus-Art als sehr unempfindlich, was die Sauerstoffkonzentration (meine Vermutung) im Transportgefäß und im Aquarium angeht.
Direkt im Rio San Martin gelang es uns selbst, nur wenige Fische durch Fangen mit dem Handkescher nachzuweisen. Allerdings hatte sich unser Bootsführer besonders eifrig und auch sehr erfolgreich bemüht, mit dem Wurfnetz an ein paar Stellen die dort vorkommenden größeren Fische zu fangen. An größeren Cichliden gingen ihm Astronotus crassipinnis, Biotodoma cf. cupido, Cichla pleiozona, Aequidens viridis und Satanoperca pappaterra ins Netz. Aber auch ein paar kleinere und größere Salmler ließen sich fangen.
Der Zufluss des Rio Blanco, eines Weißwasserflusses ist deutlich sichtbar. Dieser Fluss fließt im Mündungsbereich in den Rio San Martin deutlich langsamer und ist auch deutlich wärmer. Dort fingen wir im sandig-schlammigen Uferbereich einen Süßwasserrochen. Nachdem wir diesen durch Zufall erbeutet hatten, wurden wir etwas vorsichtiger beim Keschern im schlammigen Uferbereich.
Die Wasseroberfläche des Rio Blanco ist durch ausgedehnte Schwimmende Wiesen gekennzeichnet. Darunter verstecken sich die verschiedensten Arten von Fischen. Besonders auffällig sind die Kropfsalmler (Triportheus sp.). Diese an sehr große Beilbauchsalmler erinnernden Fische zeigen in der Tat einige Gemeinsamkeiten mit diesen und wurden auch in einer neueren Publikation systematisch näher an diese Gruppe gerückt. So weisen auch sie sehr lange und schmale Brustflossen aus, mit denen sie sehr schnell eine Richtungsänderung aufwärts zur Wasseroberfläche durchführen können. Die Fähigkeit, auch bei warmem Wasser und Sauerstoffarmut die Wasseroberfläche mit sauerstoffreicherem Wasser „abschlürfen“ zu können („aquatic surface respiration“), wird durch ein durch Sauerstoffarmut bedingtes Anschwellen der Unterlippe begünstigt.
Die Bilder zeigen das gleiche Tiere vor und 30 Minuten nachdem die Sauerstoffkonzentration im Haltungsgefäß durch Abdecken mit einer Kunststofffolie erniedrigt wurde. Diese Unterlippe dient aber nicht selbst der Atmung, wie man lange dachte, sondern erleichtert nur das Aufnehmen des sauerstoffreichen Wassers von der Oberfläche. Siehe dazu auch einen anderen Beitrag auf dieser Seite.
Auch die Menschen, die am Fluss leben, profitieren, ob es nun Fischer sind oder nicht, vom Fischreichtum in der Trockenzeit. So war es für uns immer sehr interessant, zu sehen, welche Fische den Menschen ins Netz oder an die Angel gingen. Viele mittelgroße bis größere Salmler und Cichliden werden offenbar gerne gegessen unter den gefangenen großen Salmlern findet man auch größere räuberisch lebende Vertreter der Gattung Acestrorhynchus und Pygocentrus (Piranhas). Diese Tiere werden offenbar sehr gerne geangelt und scheinen bei der Bevölkerung wie auch Cichliden der Gattung Cichla ein sehr beliebtes Essen zu sein.
Richtig große Salmler, die Pacus, die mehrere Kilogramm schwer werden können und aufgrund ihr sehr schmackhaften Fleisches immer häufiger in der Aquakultur gehalten werden, konnten wir nur einmal, leider nur als tote Tiere, sehen. Während einer weiteren Exkursion sahen wir am Morgen mehrere Fischer, die eine größere Anzahl dieser sehr großen Salmler gefangen hatten und nun für den Verkauf vorbereiteten. Dazu wurden die Tiere in einem Boot ausgeweidet und filetiert. Die Schlachtabfälle, also die Köpfe, die inneren Organe und das Skelett, wurden einfach neben den Booten ins Wasser geworfen. Beim Beobachten fiel mit auf, dass das Wasser rund um diese Schlachtabfälle sehr bewegt war, und ich vermutete – nachdem wir ja gesehen hatten, dass Piranhas häufig gefangen wurden – dass sich Piranhas an diese Fleischabfällen satt fraßen.
Für mich verwunderlich war aber, dass die Fischer bei ihrer Arbeit barfuß im Wasser standen und auch kleine Kinder oder Haustiere trotz dieses Gewimmels von Fischen rund um die Schlachtabfälle, sich ohne Furcht im flachen Wasser bewegten. Später brachte ein Fang mit dem Netz die Erklärung: Die meisten dieser Salmler, die ich aus der Entfernung aufgrund ihrer Form und aufgrund der schlechten Sicht zunächst für Piranhas gehalten hatte, waren Vertreter der Gattung Tetragonopterus und Markiana. Diese opportunistischen Salmler fressen natürlich alles, was in der nahrungsarmen Trockenzeit ins Wasser fällt.
Die große Fischdichte wiederum, besonders in den kleinen Lagunen, zog eine große Anzahl von Tieren, die sich von Fischen ernährten, an. Zwei der spektakulärste Arten, die am Rio San Martin vorkommen, Flussdelfine (wahrscheinlich Inia geoffrensis) sowie Riesenotter (Pteronura brasiliensis), konnten leider nicht fotografisch dokumentiert werden. Bei den Flussdelfinen war das Problem, dass man nie wusste wo die Tiere im trüben Wasser auftauchen, bei den Riesenotter lag es daran, dass wir sie einfach nicht gesehen haben, obwohl ihre Spuren und teilweise auch ihre Bauten ihre Anwesenheit deutlich verrieten.
Scherenschnäbel, (wahrscheinlich Rynchops niger), mittelgroße Vögel, die mit offenem Schnabel knapp über dem Wasser jagen – der Unterschnabel taucht dabei während des flotten Flugs ins Wasser ein – fand ich persönlich am beeindruckendsten. Die Scherenschnäbel saßen vor allem in Gruppen auf den Sandbänken, an denen wir auf unseren Tagesexkursionen mit dem Boot vorbeikamen. Leider gelang mir auch keine Aufnahme von fliegenden Tieren bei der Nahrungssuche, dazu waren sie einfach zu schnell.
Kaimane bekamen wir, im Gegensatz zu Los Lagos, nicht sehr häufig zu sehen. Das mag zum einen damit zusammenhängen dass die Gegend um Bella Vista am Rio San Martin relativ stark besiedelt ist und es daher auch nicht auszuschließen ist, dass Kaimane nach wie vor bejagt werden. Es kann aber sein, dass wir die Tiere einfach nicht gesehen haben. Dass es die Tiere trotzdem gibt, bewies uns eine Gruppe von jungen Kaimanen, die wir am Ufer des Rio San Martin entdeckten. Wir näherten uns den Tieren langsam mit dem Boot und konnten sogar einige der ungefähr 30 Zentimeter langen Tiere greifen.
In den Büschen rund um den Rio San Martin sahen wir des öfteren kleine Gruppen des Hoatzin (Opisthocomus hoazin). Diese etwa fasanengroßen Vögel erreichen hier am Rio San Martin den südlichen Rand ihres Verbreitungsgebiets. Die nicht besonders gut fliegenden Vögel zeichnen sich durch einige Besonderheiten aus. So weist ihr Verdauungssystem einige Besonderheiten auf und die Flügel der Jungvögel besitzen Krallen, mit denen diese sich am Geäst entlang hangeln können.
Wie schon an den beiden vorher besuchten Biotopen trafen wir auch am Rio San Martin und in den Lagunen verschiedene Arten von Wasserpflanzen an. Die für mich am wenigsten erwartete Begegnung mit „Wasserpflanzen“ der Gattung Echinodorus hatte ich allerdings direkt am Ufer des Rio San Martin am Ortsrand von Bella Vista. Es brauchte ein paar Tage und wiederholtes Betreten des Ufers, bis mir auffiel, dass ich mich ja auf einer Wiese von kleinen Echinodorus-Pflanzen bewege.
Diese Pflanzen wachsen und blühen in der Trockenzeit in einem völlig ausgetrockneten, steinharten Boden, der aus einem Gemisch von Sand und Lehm besteht. Da ich aufgrund des sehr harten Bodens keine Pflanzen ausgraben konnte, nahm ich ein paar trockene Samenstände mit. Es gelang mir tatsächlich die Samen zum Keimen zu bringen und aus diesen Samen sehr wenige (genaugenommen nur zwei) Pflanzen heranzuziehen, von denen eine in Halle, die andere in meinem Aquarium steht.
Der Besuch in Bella Vista schloss unserer Reise an drei Biotope quer durch Bolivien ab und so ging es – für mich ein bisschen unbequem – zwischen unserem Gepäck auf dem Boden einer Cessna ohne Sitze sitzend und rückwärts fliegend nach Trinidad zurück. Um Platz zu sparen war die zweite Sitzreihe entfernt worden. Nach einem kurzen Aufenthalt in Trinidad (mit einer Stärkung in einem Restaurant mit dem legendären Fleischspieß) flogen wir von dort nach Santa Cruz und von dort aus nach einem weiteren Tag über Buenos Aires und Madrid nach Berlin zurück.