Apistogramma steindachneri war die erste Apistogramma-Art, die ich als 14-jähriger Schüler nachzog. Diese Tiere erwarb ich für stolze 27,- Mark als Trio (2,1) unter dem damals gebräuchlichen Namen Apistogramma ornatipinnis. Nicht, dass ich nicht schon vorher Buntbarsche gehalten hätte: Dazu an anderer Stelle mehr. Die erfolgreiche Haltung und Nachzucht der Tiere für eine längere Zeit hat mein Leben, also Hobby, Aquaristik, Berufswahl, doch sehr nachhaltig geprägt.
Die ersten, aus meiner heutigen Sicht, »richtigen« Fische, Apistogramma steindachneri (damals noch als A. ornatipinnis bezeichnet; A. wickleri war ein weiteres Synonym dieser Art, vgl. Kullander 1980), erwarb ich Ende 1975 für mein Aquarium. Dieses Aquarium, Standardmaße 60 × 30 × 30 cm, war mittlerweile aus meinem Kinderzimmer im Anbau meines Elternhauses in mein altes “ehemaliges” Kinderzimmer, dem von meiner Oma und meiner Mutter genutzten »Nähstübchen« im oberen Stockwerk umgezogen, wo es mich nicht mehr so viel vom Lernen abhalten sollte. Ich hatte mein Aquarium vom »Gesellschaftsbecken« mittlerweile zu einem echten Apistogramma- Paradies umdekoriert und es mit sehr viel Holz (gut gewässertem Erlenholz aus dem an unserem Grundstück vorbeifließenden Fabrikgraben), feinem Sand aus der nahegelegenen Rodach als Bodengrund und verschiedenen Höhlen und Unterschlupfen ausgestattet. Als Besatz waren natürlich Zwergbuntbarsche der Gattung Apistogramma geplant, die als Paar – ohne weitere Fische eingesetzt – genug Platz in dem kleinen Aquarium haben sollten.
Warum nun Zwergbuntbarsche? Weil man als Kind/Jugendlicher (und auch als mancher Erwachsener) immer was neues haben muss! Ein ungefähr gleichaltriger Aquarianer aus Oberlangenstadt, Horst B., hatte immer begeistert über seine Apistogramma und deren Verhalten erzählt. Das war dann wohl der Punkt, ab dem bei mir das Verhalten von Fischen in den Vordergrund trat und mein Interesse an der Biologie geweckt wurde. Beim »Weber« in der »oberen Stadt« in Kronach lag die »TI« aus, eine damals von der Firma Tetra herausgegebene Zeitschrift, in der ich ab und zu schmökerte und die ich später auch ab und zu kaufte (mittlerweile besitze ich alle Ausgaben). Die besagten Fische hatte ich später in der TI 38 vom Juni 1977 auf Seite 17 in einem Artikel von Werner Schmettkamp entdeckt, in dem ein Männchen von Apistogramma steindachneri im Bild vorgestellt wurde (Schmettkamp 1977). Beim Weber gab es ab und zu einige Beifänge dieser interessanten Fischgattung und irgendwann im Spätherbst 1975 wurde tatsächlich ein sehr schönes ausgewachsenes Wildfangtrio (2,1 – also zwei Männchen und ein Weibchen) von A. steindachneri für zusammen 27,- Mark angeboten.
Da der Händler die Fische nur zusammen verkaufen wollte, was auch verständlich war – wer kauft schon ein einzelnes Männchen – musste ich alle drei Fische nehmen. Das kleinere der beiden Männchen überlebte die erste Woche leider nicht, die beiden verbliebenen Tiere entwickelten sich gut, waren allerdings in diesem Aquarium fast nie zu sehen. Dass sie doch aktiv waren, sah ich an den Buddelstellen im Sand. Im beginnenden Frühjahr 1976 kamen mit dem Fang von Lebendfutter und den ersten Wasserwechseln mit mühsam aus dem aus einer Waldquelle am Fabrikgraben per Schubkarren und Kanistern herbeigeschafften relativ weichen Quellwasser auch die ersten Nachzuchterfolge. Erstaunlich waren die Jungfischzahlen. Bis zu 120 Jungfische konnte ich bisweilen beim Umsetzen nach vier bis sechs Wochen zählen. Beim Freischwimmen dürften es noch deutlich mehr gewesen sein. Die Jungfische waren im Spätsommer und Herbst, gut mit Lebendfutter gefüttert, auf eine schöne Größe herangewachsen und ordentlich gefärbt, für eine Mark fünfzig in kleineren Stückzahlen in Kronach gut abzusetzen.
Lebendfutter konnte man damals noch in verschiedenen Teichen und Tümpeln nahe der Bahnlinie Lichtenfels-Kronach und in den damals noch reichlich vorhandenen Feuerlöschteichen rund um Küps das ganze Jahr über in ausreichender Menge fangen. So gehörte eine kurze Tour auf dem Fahrrad mit Eimerchen und Netz alle zwei bis drei Tage zu meiner Abendbeschäftigung. Im Frühjahr und Herbst gab es in Waldtümpeln auch jede Menge Mückenlarven, die leicht zu fangen waren. Zur Not konnte man auch auf den einen oder anderen Karpfenweiher für Wasserflöhe und Cylops ausweichen, wenn man denn die »Aktivitätsperioden« des Besitzers vorher sorgfältig ausgekundschaftet hatte …
Meine Konfirmation hatte im Frühjahr des Jahres 1976 eine ansehnliche Summe Geld für meinen sehnlichsten Wunsch, ein größeres Aquarium und einen “Fischkeller”, in meine Kasse gespült und so konnte ich mir in den großen Ferien und im Spätherbst ein Aquarium, silikonverklebt, mit den damals für mich riesengroßen Maßen 150 × 40 × 50 cm leisten. Dieses sollte im Keller meiner Eltern stehen. Zusammen mit meinem Vater wurde dazu ein Sockel aus Steinen gemauert. Dort sollten die drei Aquarien, das Große mit 150 × 40 × 50 cm, das alte 60 er Rahmenbecken und ein als Jungfischaufzuchtbecken verwendetes Plastikbecken, aufgestellt werden. Noch im gleichen Jahr zog ich mit der ganzen Menagerie aus dem Nähstübchen in den Keller um. Statt des mittlerweile völlig verkratzten Kunststoffaquariums gab es noch ein neues 40 cm Glasbecken dazu.
Dort im Keller züchtet ich nun regelmäßig A. steindachneri nach, die nach wie vor gut absetzbar waren. Im großen Becken konnte ich gleich mehrere Tiere, also mindestens 5 Männchen mit 5 bis 8 Weibchen von A. steindachneri gleichzeitig halten. Das war im Nachhinein ein bisschen dicht, aber damals wusste ich es nicht besser und meine Aquarien waren immer sehr strukturiert eingerichtet. Aber wie oben geschrieben, lässt das Interesse nach und es muss mal wieder was neues her.
Einige weitere Arten, wie zum Beispiel A. cacatuoides, damals als A. borelli bezeichnet, kamen dazu. Diese hielt ich auch mit im großen Aquarium und züchtete diese zum Teil auch nach. So ging das eine ganze Zeit lang gut. Aber wie oben geschrieben, lässt das Interesse nach und es muss mal wieder was neues her. Die Vernachlässigung der A. steindachneri führte dazu, dass sich trotz einem Geschlechterverhältnis mit leichtem Überhang von Weibchen irgendwann nach gut zwei Jahren kein verträgliches bzw. kompatibles Paar mehr in meinem Bestand befand und es mit der Zucht leider vorbei war. Dann war erstmal sehr lange Ruhe. Meine nächsten A. steindachneri erhielt ich als Gruppe von 10 Tieren vor ca. 15 Jahren aus einem Import von Wildfängen bei einem Großhändler in der Nähe von Berlin.
Die Tiere hielt ich paarweise in 50 er oder 60 er Becken. Da die Tiere zur Monogamie neigen, wie ich in meinen Beobachtungen als Jugendlicher feststellt hatte, war diese Haltungsform für mich akzeptabel. Ich hielt für 7 Jahre immer mindestens zwei Paare sowie eine größere Jungfischanzahl, um die Nachzucht sicherzustellen. Die Aquarien stelle ich immer so auf, dass nur eine Stirnseite sichtbar ist, die hintere Stirnseite wird zudem von einem Mattenfilter komplett ausgefüllt. Irgendwie nutzen die Fische diese Aquarien besser und fühlen sich, ggf. durch die besseren Rückzugsmöglichkeiten nach “hinten” auch sicherer. Nicht unbedingt für ein Schauaquarium geeignet aber mein Plädoyer für “tiefere” Aquarien und einer Einrichtung mit mehr Rückzugsmöglichkeiten. Dass dies nicht für jeden eine Option ist, habe ich von mehreren Besuchern gehört: “In Deinen Aquarien sieht man die Fische ja gar nicht!”
Die Becken waren mit feinem weißen Quarzsand als Bodengrund eingerichtet. Die Höhlen, Röhren aus Kunststoff oder Ton, wurden halb im zwei bis drei Zentimeter hohen Bodengrund versenkt. Laichreife Weibchen besetzen diese Höhlen und buddeln den Sand heraus. Teilweise wird der Eingang beim Graben so stark verengt, dass das Weibchen nur in Seitenlage einschwimmen kann. Trotzdem scheint die Zirkulation von frischem Wasser in diesen geringen Volumina von Wasser noch groß genug zu sein, um die Sauerstoffversorgung von Weibchen und Gelege zu gewährleisten.
Wenn man die Tiere sehr gut gefüttert hat und nach einem längeren ausbleibenden Wasserwechsel (länger bedeutet bei mir ca. 2 bis max. 3 Wochen, da ich jede Woche das Wasser wechsle) einen größeren Wasserwechsel mit einem großen Anteil an Umkehrosmosewasser durchführt und die elektrische Leitfähigkeit ungefähr auf die Hälfte reduziert, z.B. von 300 µS/cm auf 150 µS/cm, wird es fast sicher innerhalb von zwei bis drei Tagen zum Ablaichen kommen. Das Ablaichen kündigt sich durch das verstärkte Buddeln des Weibchens an.
Füttert man die Tiere gut, können sie recht groß werden, Totallängen von knapp 8 cm wurden auch bei mir bei mehr als drei Jahre alten Männchen erreicht. Selbst Kullander (1980) merkt die Größe von wild gefangenen Tieren dieser Art an. Ich hatte aber auch schon größere Männchen gesehen, 10 cm scheint bei Aquarientieren durchaus erreichbar – nicht unbedingt mein Geschmack, da ich eher den kleineren Phänotyp der Wildfänge bevorzuge. Im Alter bekommen die Männchen verlängerte Flossen, die oft auch mit oranger bis roter Färbung assoziiert sind. Auch die Schwanzflosse wird deutlich zweizipfelig. Das maximale Alter meiner Tiere betrug knapp vier Jahre. Die relativ großen Weibchen setzen bei guter Fütterung sichtbar Laich an, hohe Eizahlen von bis zu 200 Eiern sind nicht selten (Richter 1979).
Nach dem Schlupf der Jungfische wird das Männchen zwar in den ersten Tagen frontal angeschwommen, falls es sich den Jungfischen zu weit (auf 5 bis 10 cm) nähert, aber das war es auch schon an aggressivem Verhalten. Trotzdem sind die Weibchen während der Brutpflege recht aufmerksam und aggressiv – ich halte sie für sehr gute BrutpflegerInnen. Wenn ich Artemien zugebe, wird der Schlauch oder der Löffel jedes Mal vehement angegriffen.
In drei Fällen konnte ich beobachten, dass Weibchen sogar die Brut in einem anderen Aquarium “pflegten”, also nahe der Scheibe standen und auf Jungfische in einem anderen Aquarium reagierten, selbst wenn sie in zwei Fällen nicht selbst Jungfische führten. In einem Fall waren das sogar artfremde Jungfische von Congochromis dimidiatus, die dort ohne Eltern aufgezogen worden waren.
Das Weibchen pflegt die Jungfische für ungefähr 4 bis 6 Wochen sehr aufmerksam, dann lässt die Brutpflege oft nach. Man kann dann die Jungfische im Aquarium belassen, falls das vom Platz und den Verstecken her möglich ist, oder man fängt sie heraus und zieht sie getrennt auf. Oft laichen die Weibchen, die bei guter Fütterung der Jungfische mit Artemia-Nauplien bisweilen schnell wieder Laich ansetzen, schon lange vorher wieder ab (Hetz 2021), was zu Konflikten mit den älteren Jungfischen führen kann. In den meisten Fällen werden die jüngeren Jungfische von den älteren gefressen. Ich hatte jedoch auch schon Fälle, in denen die älteren Jungfische beim Schlupf der jüngeren Geschwister von den Elterntieren heftig attackiert wurden.
Ein leidiges Themengebiet bei einigen Zwergbuntbarschen und bisher leider nicht abschließend geklärt: Die 10 erworbenen Tiere hatten ein Geschlechterverhältnis von 7,3 und wie ich gehört hatte, war ich einer der wenigen, der überhaupt Weibchen aus diesem Import bekam. Die Tiere laichten willig und nach dem Aufziehen der vielen Jungfische mehrerer Bruten kam die Ernüchterung: unter gut 100 Jungfischen waren nur 5 Weibchen. So ging das die ganze Zeit. Ich musste relativ viele Jungfische aufziehen, um überhaupt Weibchen zur weiteren Vermehrung zu haben.
Letztendlich verlor ich die Art ein weiteres Mal. Dieses extrem suboptimale Geschlechterverhältnis konnte auch durch Veränderungen des pH oder der Temperatur – hier frage ich mich immer noch, warum das in der Natur offenbar keine Rolle spielt – nicht verändert werden. Manche Aquarianer neigen ja häufig dazu, einem Wasserparameter posthoc die Schuld am Geschlechterverhältnis zu geben:
Aquarianer A: “Das Geschlechterverhältnis lag sicher am pH!”
Aquarianer B: “Hast Du den pH gemessen?”
Aquarianer A: “Nein, aber was soll es denn sonst gewesen sein?”
Insgesamt ist dieses Problem der Geschlechterverteilung neben der Färbung – Apistogramma steindachneri ist keine vordergründig plakative Schönheit – sicher (oder möglicherweise?) ein weiterer Grund, warum die Art vergleichsweise selten anzutreffen ist.
Hetz, S. K. (2021): Vermehrungsraten von Zwergbuntbarschen. AKZ News 27/28 2-2020/1-2021: 50–57.
Koslowski, I. (1985): Zwergcichliden. Die Buntbarsche der Neuen Welt. (Die Buntbarsche der Neuen Welt. Reimar Hobbing GmbH, Essen, 1 Seite.
Kullander, S. O. (1980): A taxonomic study of the genus Apistogramma Regan, with a revision of Brazilian and Peruvian species (Teleostei Percoidei Cichlidae). Bonner Zoologische Monographien (14): 1–152.
Richter, H.-J. (1979): Ein Goliath unter den Zwergen: Apistogramma wickleri. Aquar. Mag. 13 (6): 268–273.
Schmettkamp, W. (1977): Erfahrungen mit Apistogramma- Arten. TI-Tatsachen und Informationen aus der Aquaristik 11 (38): 15–18.
Staeck, W. (2000): Der Apistogramma-steindachneri-Komplex. Aquaristik Fachmagazin (AF) 32 (3): 26–30.
Staeck, W. (2017): Kleine Buntbarsche. Amerikanische Cichliden I. (9. Aufl.). Tetra Verlag, Velten, 314 Seiten.