Bernd Brunner schildert in seinem Buch „Wie das Meer nach Hause kam“, erschienen bereits im August 2003 im Transit Verlag Berlin, die Erfindung des Aquariums vor ca. 170 Jahren. Auf 144 Seiten beschreibt er, ausgehend von drei verschiedenen Gründen, in seinem Buch als „Spuren“ bezeichnet, die allmähliche Entwicklung des Aquariums, so wie wir es heute kennen. Wenn der Leser jedoch erwartet, dass in diesem Buch die Einrichtung und der Betrieb von Aquarien beschrieben werden, so wird er sicher enttäuscht sein. Das Buch versucht vielmehr zu ergründen wie und weshalb sich vor ca. 170 Jahren relativ schnell eine Begeisterung für Aquarien in weiten Bevölkerungsschichten entwickeln konnte, die ja bis heute anhält.
Wir erfahren, dass sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts, verbunden mit der Erforschung der Tiefsee (zunächst aus ganz pragmatischen Gründen, wie zum Beispiel der Verlegung von Tiefseekabeln durch den Atlantik), ein gewisses Interesse für das Meer und die darin lebenden Lebewesen entwickelte, war doch die Beschäftigung mit dem Meer früher eher von Angst und Ungewissheit geprägt. Die aufkommende Sammelleidenschaft und Neugier auf allerlei naturwissenschaftliche Gegenstände im vorletzten Jahrhundert im Rahmen eines erwachenden Naturinteresse, beschreibt Bernd Brunner als einen weiteren Grund für die intensive Beschäftigung mit den Lebewesen des Meeres. Der Sprung von leeren Muschel- und Schneckenschalen zu Kästen zur Haltung von Meerestieren ist sicher nicht sehr groß gewesen. Als letzter Grund wird die wachsende Begeisterung für die Haltung von lebenden Goldfischen genannt.
Die technische Entwicklung und somit die Herstellung von Glas und Scheiben, die auch zum Bau von Aquarien geeignet waren, wird um 1850 so günstig, dass die Abkehr von abgedichteten Holzkästen zu Glasaquarien nicht mehr weit scheint. In der Tat fällt auch in dieser Zeit die Prägung des Begriffs „Aquarium“ durch den Engländer Philip Henry Gosse in Anlehnung an den Gott „Aquarius“ der griechischen Mythologie. Von Gosse sind auch die ersten erfolgreichen Versuche bekannt, verschiedene Meerestiere in Glasaquarien längere Zeit am Leben zu erhalten. Durch sehr erfolgreiche Publikationen von Gosse erreicht die „Aquaristik“ im Viktorianischen Zeitalter in England eine sehr starke Verbreitung. So werden um 1850 sogar schon Meeresfische und andere Meerestiere versendet.
Um diese Zeit schwappt das Interesse für die Aquaristik auch nach Deutschland. Möglicherweise ist einigen Lesern die Abbildung eines Aquariums in der Zeitschrift „Die Gartenlaube“ bekannt. Emil Adolf Roßmäßler, wohl einer der wichtigsten Förderer der Aquaristik im Deutschland des 19. Jahrhunderts dürfte in diesem Zusammenhang ebenfalls bekannt sein. Um 1860 erfolgt parallel zur „Meerwasseraquaristik“, sicher eine Leistung von Roßmäßler, die „Erfindung“ des Süßwasseraquariums, die es auch weniger Begüterten erlaubte, sich ein wenig „Idylle“ ins Heim zu holen. Immerhin erreichen Aquarien um 1870 in Deutschland eine so große Verbreitung, dass die ersten „Aquaristen“ (heute würde man dazu Aquarianer sagen) in Vereinen zusammenkamen und bald auch eigene Zeitschriften herausgaben.
Ein interessantes Kapitel ist auch dem Transport von Fischen gewidmet. Die Hinwendung von den heimischen Fischen zu den so genannten „Exoten“ (ein Begriff, der heute eine starke Deutungsänderung – und leider auch Abwertung – erfahren hat) führte dazu, dass viele Fische auf teilweise abenteuerlichen Wegen per Schiff nach Europa gebracht wurden. Die Schilderungen der damals verwendeten Transportmittel und der Transportumstände sind sehr unterhaltsam dargestellt, gerade im Hinblick auf die heutzutage sehr professionelle Transportlogistik.
Es ist nicht leicht, eine Geschichte über die Anfänge der Aquaristik zu verfassen. Oft wird daraus eine streng chronologische Aufzählung von Fakten und Begebenheiten, welche meist nicht sehr unterhaltsam ist. Bernd Brunner ist jedoch der Spagat zwischen Information und Unterhaltung gelungen. Dass das vorliegende Buch trotzdem gründlich recherchiert ist, kann man der Auflistung von Personen, Instituten und Museen im Rahmen der Danksagung entnehmen. Wer weitere Informationen über die Ursprünge der Aquaristik haben möchte, dem sei das Literatur- und Bildverzeichnis am Ende des Buches empfohlen.
Jedem an Aquarien Interessierten sei die Lektüre dieses Buches wärmstens empfohlen. Mit einem Preis von 16,80 € sicher nicht überteuert, erfahren Sie, illustriert durch viele, teilweise farbige zeitgenössische Abbildungen wo die Quellen des aquaristischen Hobbys liegen und viele weitere interessante Details.
Bernd Brunner (2003). Wie das Meer nach Hause kam. Die Erfindung des Aquariums. Transit Verlag, Berlin, 144 Seiten, zahlreiche, teilweise farbige Abbildungen, Format ca. 24*14 cm, Fadenheftung. ISBN 3-88747-184-9
eine zweite Auflage erschien 2011 bei Wagenbach:
Bernd Brunner (2011). Wie das Meer nach Hause kam. Die Erfindung des Aquariums. WAT [653].
144 Seiten. Broschiert. Mit sehr vielen Abbildungen, 10,90 €, ISBN 978-3-8031-2653-5